Das E-Rezept und die älteren Menschen
Verloren ohne Smartphone? Oder wer lernt, bleibt jung?
Betrachtungen unserer Bundesvorsitzenden zu diesem wichtigen und aktuellen Thema.
Nicht selten verschärft sich die Diskussion um die Einführung von Telematik, wenn es um die Versorgung von alten Menschen geht. Der Begriff der Telematik ist eine künstliche Wortschöpfung aus Telekommunikation und Informatik. Gerade in diesem Bereich wird das Risiko gesehen, durch Telematik alte Menschen zunehmend auszugrenzen, zu isolieren und zu kontrollieren. Dem entgegen steht die Meinung von Experten z.B. aus dem Feld der Gerontotechnologie und der Technologieforschung, welche im Einsatz von telematischen Diensten erhebliche Potentiale zur Unterstützung der Selbständigkeit alter Menschen erkennen. Herausforderungen und Chancen liegen wie so oft nah beieinander.
Mein Vater ist 82 Jahre und hat nie den Umgang mit einem Computer oder gar einem Smartphone lernen wollen. Angesprochen auf das E-Rezept oder die elektronische Patientenakte verweist er selbstsicher auf meine Mutter. Die kann zumindest die Grundlagen der gängigen digitalen Anwendungen gut einsetzen. Doch wie steht es um die Versorgung der älteren Menschen, wenn Sie kein Smartphone haben und keine Person in unmittelbarer Nähe, auf die sie sich verlassen können? Ist die Veränderung in die zunehmende Digitalisierung sinnvoll?
Die demografische Entwicklung in Europa, mit einer starken Tendenz zur Überalterung der Gesellschaft, macht es zunehmend erforderlich, über neue Wege der Versorgung alter Menschen nachzudenken. Die demographischen Daten in Deutschland zeigen mit einer höheren Lebenserwartung und weniger Nachkommen eine deutliche Entwicklung.
Die Einführung neuer Technologien ist also unerlässlich und birgt kommunikative Herausforderungen. Insbesondere ältere Menschen zeigen hier zeitaufwendigen Informations- und Gesprächsbedarf. Immerhin beläuft sich der Anteil der Smartphone-Besitzer bei den über 70-Jährigen bereits auf 52,1 Prozent. (Statista 2020). Klar ist, dass die aktive Lenkung besonders älterer Patienten ohne Smartphone durch die neuen Prozesse sehr wichtig werden wird. Absehbar ist aber auch, dass immer mehr ältere Menschen ein Smartphone nutzen werden, denn der Markt für Seniorenhandys entwickelt sich rasant. Diese speziellen Smartphones stellen sicher, dass die natürlichen Einschränkungen des Alters keine Hürde bei der Bedienung des Smartphones darstellen.
Eine Studie, der Hochschule Neubrandenburg hat zudem bewiesen, dass wir uns nicht zu viel Sorgen machen müssen um die alten Menschen. „Ich verzichte lieber auf meinen Kühlschrank als auf mein iPad“ ist das Ergebnis eines Forschungsprojektes zu IT-Unterstützungs- und Netzwerkstrukturen für das Leben im Alter unter der Leitung von Prof. Stefan Schmidt. Menschen über 75 Jahre erhielten im Rahmen dieser Studie ein iPad mit zwei vorinstallierten Apps, darunter Dropbox mit Anleitungen für körperliche Übungen. Die Studie belegte, dass die Probanden die Apps von der ersten Stunde an regelmäßig nutzten und ihr iPad am Ende nicht mehr hergeben wollten.
Fazit: Mit kompetenter Beratung und aktiver Hilfe digitale Neuerungen anzuwenden, können Apothekenteams auch ältere Menschen, die noch kein Smartphone besitzen dazu anregen, ein Smartphone zu nutzen. Mein Vater wird nicht zur Gruppe derer gehören, die sich noch auf neue Technologien einlassen. Grundsätzlich aber ist die Fähigkeit, ständig neues zu lernen, eine Überlebensnotwendigkeit für den Menschen. Die Natur hat den Menschen mit allem ausgestattet, was er zum Lernen benötigt. Für das menschliche Gehirn ist es selbstverständlich zu lernen. Es kann gar nicht anders als zu lernen – auch wenn es älter ist. In der Apotheke können zum Beispiel junge, aufgeschlossene Studierende helfen, neue Anwendungen und deren Vorteile zu erklären und damit den älteren Patienten und Kunden etwas „auf die Sprünge“ helfen 😉. Und der QR Code des E-Rezeptes kann ja auch noch in Papierform vorgelegt werden. Also verloren sind die älteren Menschen sicher nicht.
BVpta e.V. Mentoren beraten zum Umgang mit älteren Menschen im Rahmen der Digitalisierung. Sie reflektieren Konzepte in der Apotheke und geben Tipps. Wenden Sie sich gerne an unsere Geschäftsstelle unter info@bvpta.de.
Carmen Steves
Bundesvorsitzende
(28.10.2021)
(Bild von rupert B. auf Pixabay)