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07. März 2025

Ist das Siezen noch zeitgemäß…oder einfach nur ein Kulturgut?

Also im 18. Jahrhundert war es noch undenkbar, dass Kinder ihre Eltern duzten. In meiner Kindheit durfte ich glücklicherweise meine Eltern sehr wohl duzen, aber alle anderen, die älter waren, wurden gesiezt. Nun ist 2025 und ich frage mich, mit nun fast 42 Jahren, wann ist denn jemand “älter”, bzw. woher weiß ich das Alter meines Gegenübers (also danach fragen erscheint mir einfach auch unhöflich) und wer entscheidet über irgendwelche „Rangordnungen“?

Das Siezen gehört für viele immer noch zum guten Ton, das heißt aber nicht, dass Menschen, die duzen den Respekt füreinander verloren haben. „Du“ verwenden wir, wenn wir mit Freunden oder Vertrauten sprechen, die wir lange kennen und auch mögen. Also „Siezen“ wir besser alle Anderen, die nicht dem vertrauten Kreis zugehörig, sind? Die Pro- und Kontraargumente variieren nach Situation. Die Einflussfaktoren allerdings bleiben die gleichen: Knigge, Kultur, Ethik, Rangordnung, Zeitgeist und vieles mehr.

Wenn ich in Apotheken unterwegs bin, bekomme ich oft innerhalb der Teams mit, dass viele Inhaber*innen das „Hamburger Sie“ oder das „Münchner Du“ als Umgangsform pflegen. Das Hamburger Sie, ist eine Form der Anrede in der deutschen Sprache, bei der man jemanden beim Vornamen nennt und dazu siezt, also z.B. „Anja, kommen Sie mal bitte?“ Im Gegenstück gibt es das Münchner Du, also die Anrede per Duzen in Verbindung mit dem Familiennamen, also z.B. „Zierath, schreib doch mal bitte das Editorial für die PTAheute!“

Die Sache hat irgendwie zwei Seiten, einerseits können diese Mischformen des Duzens / Siezens ein Kompromiss sein, wenn die Beziehung eben ungeklärt zwischen DU und SIE steht, andererseits werden diese Formen oft nicht symmetrisch zwischen Gleichberechtigten gewählt, sondern einseitig von „oben“ nach „unten“.

Und wie sieht es gegenüber der Kundschaft aus? Überwiegend beobachte ich, dass Kunden mit „Sie“ angesprochen werden, aber ich kenne auch Apotheken, welche ihre Kunden duzen und ich muss gestehen, ich finde das gut und trotzdem fühlt es sich „ungewöhnlich“ an. Warum eigentlich? Der Umgang ist genauso respektvoll. Ehrlich gestanden auch irgendwie empathischer, vertraulicher, persönlicher… und trotzdem „komisch“.

Werfen wir einen Blick auf die sozialen Medien, da scheint es mir mittlerweile „normal“ geworden zu sein, zu duzen, aber einfach nur weil man „Nähe“ schaffen will, denn viele Influencer*innen teilen oft ganz private Momente mit der Welt und da scheint es nahezu komisch, wenn eine Influencerin z.B. posten würde „Hey, schauen SIE mal, was ich heute gegessen habe“ – das wäre ulkig.

Mein Fazit: es ist komplizierter geworden heutzutage, den „richtigen Ton“ zu treffen. Sollte ich euch also mal auf der Straße begegnen und duzen, dann versteht es als respektvolles Sie auf Augenhöhe und sollte ich euch siezen, versteht es als Aufforderung mich zu duzen.

Damit ist ALLES und NICHTS geklärt,

verwirrte Grüße, Eure Anja oder Ihre Zierath 😉