Arzneimittel in der Stillzeit
Ein kurzes Wissens-Update im Rahmen unseres Themenmonats „Frauengesundheit“
Der menschliche Körper ist in verschiedene Kompartimente eingeteilt, die aber nicht voneinander getrennt sind. Einzige Ausnahme ist die Blut-Hirn-Schranke, die nur von lipophilen Stoffen überwunden wird. Arzneimittel, die von der Mutter eingenommen werden (müssen), gelangen also auch in die Muttermilch. Natürlich ist es daher wünschenswert, dass in der Stillzeit so wenig wie möglich Arzneimittel von der Mutter eingenommen werden.
Das Stillen schließt eine Arzneimitteleinnahme nicht grundsätzlich aus. Studien der Weltgesundheitsorganisation zeigen sogar, dass etwa Dreiviertel aller Schwangeren und Stillenden Arzneimittel einnehmen (müssen).
Wichtig ist bei einer erforderlichen Therapie daher, …
- dass die Therapie von der Mutter nicht vorzeitig abgebrochen wird und
- dass das Baby nicht frühzeitig abgestillt werden muss.

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Verschreibungspflichtige Arzneimittel
Die Einnahme verschreibungspflichtiger Arzneimittel wie Antibiotika oder Antihypertonika wird die Ärztin bzw. der Arzt mit der Mutter besprechen. Viele Mütter möchten sich in der Apotheke aber noch einmal bestätigen lassen, dass sie diesen Wirkstoff „auch wirklich“ einnehmen können.
Eine Aufgabe der Apotheke besteht also darin, auch bei Stillenden eine gute Compliance zu erzielen, denn die Therapie kann nur wirken, wenn sie auch befolgt wird. Im Einzelfall kann es hierbei nochmals wichtig sein, dass gezielt nachgefragt wird, ob die Ärztin bzw. der Arzt bei der Verschreibung darüber informiert war, dass aktuell gestillt wird.

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Eine Quelle für unabhängige Informationen zur Verträglichkeit von Arzneimitteln in Schwangerschaft und Stillzeit bietet das Internetportal www.embryotox.de, das der Charité Universitätsmedizin angegliedert ist. Es bietet für Fachkreise zu vielen Arzneistoffen weitere Informationen in Ergänzung zu den Fachinformationen. Die Hinweise und Haftungseinschränkungen des Angebots sind zu beachten.
Einnahme der Anti-Baby-Pille während der Stillzeit
Eine häufig gestellte Frage stillender Mütter: „Kann während der Stillzeit die ‚Pille‘ genommen werden oder muss eine alternative Verhütungsmethode gewählt werden?“ Du kannst die Fragenden beruhigen. Die Hormone in oralen Kontrazeptiva gehen zwar in die Muttermilch über, die „Pille“ gilt aber als absolut stillverträglich. Es ist keine Gefährdung des Säuglings zu erwarten.
Selbstmedikation
Für PTA sowie Apothekerinnen und Apotheker ist die Selbstmedikation der Stillenden von großer Bedeutung, denn mit Bagatellerkrankungen und leichten Beschwerden suchen auch Stillende zuerst die Apotheke auf und erwarten dort Hilfe.
Viele Stillende fragen gezielt nach homöopathischen oder pflanzlichen Mitteln. Diese Arzneimittel sind aber nicht zwingend verträglicher und unbedenklicher als chemisch-synthetische Wirkstoffe. Im Kundengespräch sollte über die Vor- und Nachteile beraten werden. Zu berücksichtigen ist auch der Alkoholgehalt mancher Arzneimittel, weswegen Tropfen als Darreichungsform weniger geeignet sind.

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Eine gute Alternative beziehungsweise eine Zusatzempfehlung stellen überlieferte Hausmittel dar. Das sind zum Beispiel Salzwasserspülungen für die Nase, Inhalationen bei Erkältung oder Wadenwickel. Vielleicht stellst du der Mutter je nach Erkrankung eine individuelle Teemischung zusammen? Bedenke dabei aber bitte, dass ätherische Öle – vor allem Campher und Menthol – für Babys nicht geeignet sind. Sie können zu Reizungen und Schwellungen der Atemwege des Kindes führen. Ätherische Öle gehen in die Muttermilch über, zum Teil verändern sie auch den Geschmack der Milch. Langfristige Linderung bringt je nach Beschwerden oft auch eine Umstellung der Ernährung.
Für die häufigsten Befindlichkeitsstörungen des Alltags haben wir dir nachfolgend Arzneimittel aufgeführt, die auch in der Stillzeit empfohlen werden können.
Durchfall
Akuter Durchfall kann mit Kohle therapiert werden. Denke allerdings daran, dass Kohle adsorbierend wirkt und eventuell eingenommene weitere Arzneimittel komplexieren könnte. Gute Erfolge verspricht auch eine Therapie mit Darmbakterien, um die Darmflora zu regenerieren. Mittel der zweiten Wahl ist Loperamid. Auch in der Stillzeit gilt: Flüssigkeits- und Mineralverluste sind durch Erhöhung der Trinkmenge und / oder Elektrolytlösungen auszugleichen. Bei anhaltendem Durchfall ohne Besserung ist der Arzt zu befragen.
Erkältung
Leitsymptom einer Erkältung ist der Schnupfen. Hier schaffen Nasensprays und Nasentropfen mit Meerwasser Abhilfe. Die Nasenschleimhaut wird befeuchtet, der Schutzmechanismus des Flimmerepithels – die mukozilliäre Clearance – bleibt erhalten. Empfohlen werden können auch Nasensalben, die Dexpanthenol enthalten. Die angegriffene Nasenschleimhaut heilt besser und schneller.
Hämorrhoiden
Hämorrhoiden sind ein Tabuthema. Gerade nach einer Schwangerschaft und den Strapazen der Geburt sind viele Frauen betroffen. Erste Aufgabe des pharmazeutischen Personals ist es hier, mit viel Empathie das Gespräch mit der Kundin zu suchen. Empfohlen werden können Sitzbäder mit Eichenrinde. Es gibt auch fertige Pulvermischungen für Sitzbäder, die Gerbstoffe enthalten. Seit dem Verbot von Bufexamac enthalten viele Hämorrhoidensalben Hamamelisextrakte als Wirkstoff. Diese Salben und Cremes können während der Stillzeit verwendet werden. Bei Hämorrhoiden ist auf eine geregelte Verdauung zu achten. Als besondere Serviceleistung wäre daher denkbar, einen Termin für eine Ernährungsberatung zu vereinbaren.
Hautprobleme
Sollte die Kundin an einer Mykose leiden, kann Clotrimazol empfohlen werden.
Bei Blutergüssen oder Prellungen eignet sich Heparin.
Glucocorticoide sind in der Stillzeit nicht kontraindiziert. Sie helfen bei Ekzemen und kleineren Verletzungen. Bei Neurodermitikerinnen können sie kurzfristig auch großflächig angewandt werden.
Seit vielen Jahren bewährt hat sich Harnstoff als Feuchthalter bei trockener und schuppiger Haut. Der Klassiker in Wund- und Heilsalben ist Dexpanthenol. Dexpanthenol wird im Körper zu Pantothensäure umgewandelt. Dieses B-Vitamin spielt als Enzymbestandteil eine wesentliche Rolle im Hautstoffwechsel sowie bei der Regeneration der Haut und ist auch in der Stillzeit verwendbar.
Abszesse, Insektenstiche und Schwellungen können mit Apis homöopathisch behandelt werden. Bei Verletzungen und Wunden eignen sich in der Homöopathie Arnica, Calendula und Hamamelis.
Heuschnupfen
Das Mittel der Wahl für Stillende ist Cromoglicinsäure. Der Wirkstoff ist vor allem in Augen- und Nasentropfen sowie Dosieraerosolen enthalten. Von ihm geht keine Gefährdung des Babys aus. Aussagen zur Risikobewertung peroraler Antiallergika wie Cetirizin, Loratadin oder Terfenadin sind sehr gegensätzlich, daher sollte auf sie möglichst verzichtet werden.
Die Schüßler-Salze Nr. 2 (Calcium phosporicum D6) und Nr. 22 (Calcium carbonicum D6) gelten als Basismittel bei allergischen Erkrankungen. Verfügbar sind auch komplexhomöopathische Fertigarzneimittel, die die Abwehrkräfte stärken und für Allergien inklusive Heuschnupfen zugelassen sind.
Husten
Entscheidend für die Arzneimittelauswahl ist die Art des Hustens. Handelt es sich um einen verschleimten Husten, können ohne Gefährdung des Babys die Wirkstoffe Acetylcystein und Ambroxol eingesetzt werden. Sie sind in verschiedensten Darreichungsformen auf dem Markt. Phytotherapeutika mit Efeu- oder Thymianextrakten wirken reizlindernd und schleimlösend. Bei einem stärkeren Reizhusten sollte ärztlicher Rat angefragt werden.
Manchmal bringt den Betroffenen schon das Lutschen von Bonbons – zum Beispiel mit Salbei – Linderung. Erinnern Sie bitte daran, dass ätherische Öle in der Stillzeit nicht als Brusteinreibung geeignet sind.
Magenbeschwerden
Bei viralen Magen-Darminfekten muss der Arzt konsultiert werden. Bei leichteren Beschwerden helfen Teemischungen sehr gut. Am bekanntesten ist wahrscheinlich die Kombination aus Fenchel, Anis und Kümmel. Liegt keine Allergie vor, hat sich auch Kamille bewährt. Weitere Inhaltsstoffe in Magentees sind Pfefferminz und Kalmuswurzel, manche Hebammen geben Hagebuttentee.
Äußern sich die Beschwerden als Blähungen, kann auch in der Stillzeit ein Präparat mit Dimeticon oder Simeticon benutzt werden.
Für Sodbrennen und Völlegefühl sollte Calciumcarbonat oder Magnesiumcarbonat empfohlen werden.
Bei Übelkeit und Erbrechen schafft Dimenhydrinat Abhilfe. Außer als Tablette ist dieser Wirkstoff auch als Zäpfchen im Handel.
Gute Erfolge werden mit pflanzlichen Kompositionen erzielt. Als Tropfen enthalten diese Fertigarzneimittel allerdings in vielen Fällen Alkohol.
Schlafstörungen
Ein Schlafmittel ist für Stillende denkbar ungeeignet, da das Baby gerade in den ersten Monaten auch nachts gestillt werden muss. Nach entsprechender Beratung kann aber ein Homöopathikum mit Coffea, Passiflora und/oder Valeriana empfohlen werden. Auch leichte pflanzliche Mittel mit Baldrian, Hopfen und Melisse sind geeignet. Unterstützend können Stillende Entspannungsbäder anwenden.
Schmerzen
Gegen Schmerzen jeglicher Art – auch Kopfschmerzen – kann das pharmazeutische Personal die Wirkstoffe Ibuprofen und Paracetamol empfehlen. Selbstverständlich sind dabei die üblichen Kontraindikationen und Wechselwirkungen zu berücksichtigen. Homöopathisch können Schmerzen mit Belladonna oder Gelsemium behandelt werden.
Für Halsschmerzen ist aus der Homöopathie Mercurius geeignet, aus der Allopathie können Präparate mit Flurbiprofen oder Lidocain gegeben werden. Eine weitere Möglichkeit bieten Gurgellösungen mit desinfizierenden Wirkstoffen.
Bei Kopfschmerzen kann reines Pfefferminzöl verwendet werden, das als Fertigarzneimittel mit Hilfe eines Applikators auf die Schläfen aufgebracht wird. Es muss darauf geachtet werden, dass der Säugling die Dämpfe des ätherischen Öles nicht einatmet.
Auch Diclofenac ist für Stillende geeignet. Diclofenac hat sich vor allem bei Schmerzen des Bewegungsapparates bewährt. Der Wirkstoff liegt frei verkäuflich als Tablette, Salbe oder Creme und Spray vor. Acetylsalicylsäure sollte gemieden werden.
Verstopfung
Leinsamen und Flohsamen sind leichte Abführmittel, die auch in der Stillzeit genommen werden dürfen. Das Gleiche gilt für Lactulose.
Bei Müttern oft nicht besonders beliebt, aber sehr effektiv ist ein Einlauf. Dazu sind verschiedene Fertigarzneimittel als Klistier in der Apotheke erhältlich.
Zuverlässige Wirkung versprechen Zäpfchen mit dem Wirkstoff Bisacodyl. Bereits nach einer halben bis einer Stunde tritt die gewünschte Wirkung ein. Bei peroraler Applikation dauert der Wirkungseintritt bis zu zwölf Stunden.
Dass Pflanzen nicht nur sanft wirken, zeigen anthranoidhaltige Drogen wie Aloe, Rhabarberwurzel oder Sennesblätter und -schoten. Sie beeinflussen die Darmmotilität und begünstigen somit den Stuhlgang. Gleichzeitig kann es aber zu Magen-Darm-Beschwerden kommen, die sich überwiegend in Krämpfen äußern. Daher sollten diese Fertigarzneimittel und Teemischungen für Schwangere und Stillende nicht empfohlen werden.
Wochenbettdepressionen
Der so genannte „Baby Blues“ überrascht fast jede Mutter: Sie hatte sich doch so auf das Kind gefreut. Hilfreich ist es daher unbedingt, wenn du der Mutter mit Empathie begegnest. Zeige ihr die vielfältigen Vorgänge in ihrem Körper auf. Dann ist es nicht mehr verwunderlich, dass die ein oder andere Frau in dieser Situation labil ist.
Schwere Wochenbettdepressionen, die sich durch Ablehnung des Säuglings äußern, bedürfen psychotherapeutischer Hilfe. Medikamentöse Unterstützung bieten unter anderem Kombinationen der komplementären Heilmethoden. Auf dem Markt sind unterschiedlichste Wirkstoffkombinationen, häufig zielen sie in erster Linie auf eine Beseitigung der Nervosität und Unruhe ab. Manchmal findet sich als Indikation auch Stress. Anwendbar sind beispielsweise homöopathische Kombination aus Baldrian, Passionsblume und Johanniskraut, die neben Unruhe und Erschöpfungszuständen auch depressive Verstimmungen lindern können.
Bei der Anwendung von Präparaten mit Johanniskraut müssen immer die Nebenwirkungen beachtet werden: Phototoxizität und Enzyminduktion. Durch diese letztgenannte Beeinflussung des Cytochrom-P450-Systems kann die Wirkung anderer Arzneimittel vermindert werden. Betroffen davon sind zum Beispiel orale Kontrazeptiva, Blutgerinnungshemmer vom Cumarintyp und Theophyllin.
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